Montag, 7. Februar 2011

Semesterrückblick

Da meine Schwester schon am Liceo ist, wusste ich schon, was auf mich zukommt und mich in der neuen Schule erwarten wird. Sie beschrieb mir immer eine schöne Schule mit vielen netten Leuten - vor allem offenen Leuten, dem lustigsten Hauswart der Welt und starkem Klassenzusammenhalt.
Mit dieser Einstellung begann meine Zeit am Liceo Artistico, und in vielen Hinsichten wurden meine Erwartungen sogar übertroffen. Das Gebäude (von welchem ich mir vorher noch kein Bild machen konnte) überwältigte mich vom ersten Moment an. Das liegt vielleicht daran, dass meine vorherige Schule das Freudenberg-Gymnasium war, bei dem man nicht gerade von einer bauwerklichen Meisterleistung reden kann, zumindest meiner Meinung nach. Das Vorbild wird wohl ein einfacher (quadratischer!) Betonblock gewesen sein, der mit wunderbar viel Fantasie und Kreativität zum Gymnasium Freudenberg umgemodelt wurde. Das Liceo ist da ganz anders. Noch heute entdecke ich ab und zu eine Verzierung oder Skulptur, die mir vorher noch gar nicht aufgefallen war.
Manchmal denke ich darüber nach, wie es wäre, wenn meine Schulzeit am Liceo zu Ende ginge und ich immer noch nicht alles gesehen hätte. Irgendeine Skulptur, an der ich fünf ganze Jahre lang vorbei ginge, ohne sie je wahrgenommen zu haben. Am Freudenberg könnte das nicht passieren, dort hat man schon alles nach dem ersten Tag gesehen. jede Ecke sieht gleich aus, jeder Eingang und Ausgang, jedes Schulzimmer, jede Treppe. Kurz gesagt: Alles.
Weniger eintönig sind am Liceo auch die Schüler selber, wie mir schon lange aufgefallen war und wie es vom Liceo ja auch bekannt ist. Pinkfarbene oder millimeterkurze Haare werden hier vielleicht nicht unbedingt als alltäglich oder stinknormal betrachtet, aber dennoch akzeptiert. In anderen Schulen wäre das undenkbar.
Wobei schon das nächste Thema angelangt wäre: der Gruppendruck. Der Gruppendruck ist überall. Er ist am Freudenberg, in der Basketballmannschaft, in der Primarschule. Und - was jetzt vielleicht überrascht - er ist auch am Liceo. Aber er ist fast unbemerkbar und tritt nur in ganz seltenen Situationen hervor. Jeder ist trotzdem, wie er ist. Bisher bekam ich kaum etwas davon zu spüren, und wenn, war es immer möglich, ihm stand zu halten. Wenn ich an meine klasse zurückdenke, sehe ich den Unterschied und geniesse die lockere und offene Atmosphäre am Liceo noch viel mehr.
Doch natürlich gab es auch etwas, das mich enttäuschte. Die offenen, netten und freundlichen Leute - von denen meine Schwester immer schwärmte - fand ich zwar in meiner Klasse, beim Hauswart Nicola und bei den meisten Lehrern. die älteren Schüler aber, erwiesen sich als unoffen, (um nicht zu sagen verschlossen). Sie waren nie gemein oder abschätzig zu und, auf keinen Fall, aber offen waren sie nicht. Ich denke, dass ich da zu viel erwartet habe. (Vielleicht, weil eine Kollegin von mir mal erzählte, das liceo sei wie eine grosse Famile, und in einer Familie kennen sich ja alle)
Aber mit der Zeit merkte ich, dass die gute Stimmung für ein Gemeindschaftsgefühl sorgte, dass ich immer mehr zu schätzen weiss und der Vergleich mit der grossen Familie gefällt mir immer besser.
Am Liceo herrscht ausserdem eine andere Beziehung zwischen Lehrer und Schüler (besonders mit den italienischen), die für mich sehr viel angenehmer ist als der künstliche Abstand, der im Freudenberg gehalten wurde.
Man unterstützt gegenseitig, was ich am Anfang vor allem in den Kunstfächern bemerkte. Die italienisch-sprachigen Lehrer kamen uns sehr entgegen, mit viel Geduld. Unterhaltungen waren oft mühsam, weil wir kaum Italienisch sprachen, die Lehrer kein Deutsch. Manchmal entstanden auch Missverständnisse. Aber ich merkte schnell die Fortschritte, die ich in Italienisch machte und durch den ständigen Gebrauch bekam ich nach und nach immer einen engeren Bezug zu der Sprache.
Es ist von grossem Vorteil, eine Sprache auf diese Weise zu lernen, intensiv - weil wir ja sieben Stunden Italienisch haben in der Woche, gleichzeitig auch nebenbei, beim täglichen Gebrauch.
Vor allem verglichen mit anderen Sprachen, z.B. dem Französisch, merke ich den Unterschied der beiden Lernweisen. Im Italienisch sind die Fortschritte richtig festzustellen, Französisch dagegen lerne ich schon seit etwa sieben Jahren, kann es aber kaum besser.
Auch die Studienwochen tragen natürlich dazu bei, Italienisch wie eine Muttersprache zu lernen und das Gelernte im Land selbst anzuwenden.
Die Studienwochen waren toll. Während dieser Zeit lernte ich meine Klasse kennen, auch Kollegen, mit denen ich vorher nie viel Kontakt hatte. Es veränderte sich einiges in diesen zwei Wochen.
Ausserdem mussten wir lernen damit umzugehen, zwei Wochen auf einander zu hocken - was uns zu beginn natürlich noch nicht als Problem erschien. Doch dann gab es mal da einen Streit, dann mal einen dort. Müdigkeit spielte dabei natürlich auch eine Rolle.... XD
Aber insgesamt waren diese zwei Wochen unvergesslich. Sie waren sowohl interessant, als auch lustig. Kleine Streits oder Ähnliches vergassen wir schnell und genossen stattdessen zwei ganze Wochen ohne Eltern und ältere Geschwister.
Nach diesem vergangenen Semester kann ich auf jeden Fall sagen, dass das Liceo die richtige Schule für mich ist, in jeder Hinsicht betrachtet.
Deswegen freue ich mich auch sehr auf die nächsten Jahre, Studienreisen und andere Veranstaltungen, von denen es am Liceo ja zum Glück einige gibt.

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